Der 59% Upload Blues

Stellen Sie sich mal eben vor, Sie hätten sich dazu entschlossen, eine Website für Leute, die auch noch dafür bezahlen wollen, zu machen. Tolle Idee! Also nehmen sie die Fotos, scannen sie ein, konvertieren sie in .gif- oder .jpg-Format und fangen an, eine großartige Seite zu fabrizieren. Sie machen die Designerei offline, benutzen ihr hübsches Graphikprogramm dazu, ein paar nette Bilderchen und Hintergründe zu bauen, die Dinge entwickeln sich schnell, Sie probieren ihren Kram lokal auf Ihrem Computer aus, alles lädt schnell und sieht fantastisch aus. Also entscheiden Sie sich, dieses Baby auf einen Server hochzuladen.

Sie gehen da hin, werden Mitglied, gehen zum Filemanager wo ein upload-Formular ist. Sie durchsuchen ihr lokales Archiv, schreiben vier Dateien in das Formular und warten. Und warten. Sie holen sich eine Tasse Kaffee, rauchen eine Zigarrette, dann noch ein. Nehmen ein Buch und fangen an zu lesen. Nach einer knappen Stunde spuckt Ihr Computer diesen Ton aus, der Ihnen sagt, dass irgendwas nicht in Ordnung sein kann. Sie sehen hin und lesen etwas von wegen „connection reset by peer“. Wer, zum Kuckuck ist dieser Peer? Was meint der, wer er ist, dass er einfach so Ihren Upload unterbricht? Erster Fluch.

Sie sehen noch einmal auf dem Formular nach, ob alles in Ordnung ist, und versuchen's nochmal. Nach nur wenigen Sekunden kommt wieder dieser Windows-„Bum“. Mist, was ist nun schon wieder? Es sieht so aus, als ob der Server es geschafft hätte, wenigstens etwas von den Dateien, die sie hochladen wollten, einzufangen. „Diese Datei existiert bereits. Bitte wählen sie die Option 'Überschreiben', wenn Sie sie überschreiben wollen sollten.“ Zweiter Fluch, zweite Tasse Kaffee und dritte Zigarrette. Zurück zum Formunlar. Um auf der sicheren Seite zu sein, haken sie alle Kästchen für die Option „Überschreiben“ an und fangen wieder von vorn an. Diesmal dauert es nur 25 Minuten, bis Peer Ihre connection resettet. Sie springen auf und laufen einmal in Ihrem Büro herum, um größere Schäden am Monitor zu vermeiden. Dann atmen Sie einmal tief durch und entscheiden sich, den Upload Datei für Datei durchzuführen. Also löschen Sie alle bis auf eine der Textboxen in dem Formular, in der Hoffnung, dass dies den Peer zurückhalten wird. Sie fangen wieder an und nach weiteren 45 Minuten, zwei Tassen Kaffee, zwei connection resets, zahllosen Zigarretten und Flüchen haben sie das erste Bild oben. JAWOLL! Nächstes Bild, gleiches Vorgehen. Dann kommt gottseidank Ihr Ehemann und holt Sie zum Mittagessen ab. Ihr Aschenbecher ist voll, ihre Nerven liegen ein gutes Stück über der Haut. Sie teilen Ihr Leid mit Ihrem Mann und fragen ihn, ob er eine Lösung wisse. Er sieht sich das verd* Formular an und spricht: „Da gibt's einen ftp Server. Versuch' das mal. Aber jetzt laß' uns erstmal essen gehen.“ Also gehen Sie essen.

Danach widmen Sie sich ungefähr eine Stunde lang der Lektüre der Hilfe-Datei, denn Sie würden wirklich rasend gern herausfinden, was dieser ftp-Kram zu bedeuten hat. Sie folgen den Anweisungen und versuchen, an diesen Server heranzukommen - no route to host. Nett! In der Zwischenzeit haben Sie das zweite Päckchen Zigarretten und die zweite Kanne Kaffee angefangen, sie haben ein leichts Zucken am rechten Auge und Ihre Finger zittern. Sie rufen Ihren Mann an und haben Glück: Er kann bei Ihnen im Büro vorbeischauen. Er braucht eine halbe Stunde um den Weg zum ftp Server zu finden, was Ihnen ein gewisser Trost ist, denn ER ist ein Computergenie. Also sind Sie jetzt in dem ftp Archiv und können endlich sehen, was schon auf dem Server ist. Der upload vermittels ftp fängt bei 2.0 K/s an. Sie sind glücklich, denn das kann ja nicht lange dauern. Weit gefehlt! Nach 3% geht die Übertragungsrate auf 1,5 K/s herunter, nach 10% auf 985 bytes und nachdem sie bei 59% angelangt sind, ist Ihre Rate noch bei 175 bytes/s, Tendenz fallend. Tasse Kaffee, Fluch, Zigarrette, Fluch, noch eine Zigarrette.

Am Abend haben Sie doch schon 6 von 22 Dateien oben, sind müde, sauer und hungrig. Ihr Mann kommt, um Sie zum Abendessen abzuholen und fragt Sie, wie Ihr Tag war. Sie fragen einfach, ob es ihm etwas ausmachen würde, wenn Sie ihm auf die Nase schlagen. Er ist nett genug, ein Päckchen Taschentücher hochzuhalten, damit es nicht so wehtut, wenn sie in seine Hand schlagen. Nicht ganz dasselbe, aber es schafft Erleichterung. Sie gehen nach Hause, essen zu Abend und unterhalten sich noch nett mit ein paar Freunden.

Der nächste Morgen sieht eine dickköpfige Frau, die bereit ist, ihren Computer in Stücke zu schlagen um diese Dateien hochzukriegen. Zu ihrer Überraschung geht jetzt alles viel schneller und nach nur vier Stunden ist Ihre Page auf dem Server.

Was lernen wir daraus? Das Internet ist wie das richtige Leben: Es kann einen zum Lachen, zum Weinen und zum Schreien bringen - wenn Sie Glück haben, bringt es Sie erst zum Schreien und dann zum Lachen. Und wenn Sie ein Problem haben, ist es das beste, erstmal drüber zu schlafen.