Vernetzungsleid

Für diejenigen, die eine Domain mit der Extension .com ihr eigen nennen, gab es bis vor einiger Zeit nur einen "Registrierer", nämlich networksolutions. Man kann dort ohne weiteres seinen Domainnamen über ein online-Formular anmelden. Nach Ausweiskopien oder -nummern oder eben irgendwelchen anderen Beweisen für die Existenz der Person, die die Domain anmeldet, wurde nie gefragt; wozu auch? Jeder Mensch weiß ja im allgemeinen, wie er heißt, auch Angaben wie Geburtsdatum und - ort, Wohnort, Telefonnummer, etc. kann man ja normalerweise angeben, ohne gleich seine Ausweise zu konsultieren.

Nun gibt es aber, vor allen Dingen im englischsprachigen Raum, Menschen, die zwar mehrere Vornamen in ihren Ausweisen stehen haben, aber auf ganz andere Rufnamen hören. Viele von diesen Menschen geben diesen ihren Rufnamen in allen möglichen und unmöglichen Formularen, wie zum Beispiel den Personaldatenbögen der Firmen, für die sie arbeiten oder auch einfach auf ihren Visitenkarten an, einfach weil's praktischer ist. So wird oft genug aus einem William ein Bill, aus einem Michael ein Mike oder aus einem Jacob ein Jack. Das geht dann so weit, dass niemand ausser dem Inhaber mehr weiß, wie der Betreffende tatsächlich heißt. Von einem solchen Menschen, sagen wir mal, er sei Brite und hörte auf den schönen Namen William Henry Jonathan Finch und dessen Nöten mit networksolutions, handelt diese Geschichte.

Mr Finch, der die Zweigstelle einer nicht genannten, im englischsprachigen Raum angesiedelten Firma in Paraguay leitet, hat vor einem guten halben Jahr seine Domain bei networksolutions registrieren lassen. Dazu hat er von einem Mitarbeiter das oben erwähnte online-Formular ausfüllen lassen. Nun trifft es sich, dass in sämtlichen Unterlagen der Firma, für die Mr Finch arbeitet, als Vorname Bill angegeben ist. Folglich hat der Mitarbeiter auch Bill Finch als Owner, also Eigentümer der Domain angegeben. Die Domain wurde der IP-Adresse zugeordnet, die die Firma zu jenem Zeitpunkt von ihrem Provider zur Verfügung gestellt bekam. Tausende von Briefbögen und Visitenkarten wurden für die Firma gedruckt, auf allen war der Domainname angegeben und alle waren zufrieden.

Nicht lange, denn es stellte sich heraus, dass der besagte Provider nimmermals in der Lage war, die Website der Firma zu hosten. Folglicherweise sah Mr Finch sich nach einem neuen Provider um, fand auch einen, der ihm zusagte, hieß seinen Mitarbeiter die Firma dort anmelden und die Domain auf die neue IP ummelden. Gesagt, getan, die Anmeldung der Firma beim neuen Provider ging reibungslos vonstatten, hunderte von MB stehen nun Mr Finch und seinen Mitarbeitern für die hoffentlich bald umgezogene Website zur Verfügung. Um die Domain bei networksolutions auf die neue IP umzumelden, wurde zunächst das WHOIS-Verzeichnis dort eingesehen. Man musste feststellen, dass völlig unverständlicherweise ein gewisser Jim Masterson, der bei irgendeiner Firma in den USA arbeitet, als Technical, Billing und Adminstrative Contact angegeben war. Zum Behufe der Ummeldung und auch der Berichtigung der völlig falschen Daten wurde die Online-Hilfe konsultiert. Der Mitarbeiter, nennen wir ihn mal Mike, füllt ein online-Formular aus und schickt es an networksolutions. Nach doch nur einer Woche lässt diese Firma Mike wissen, dass sie diese Änderung leider so nicht akzeptieren kann. Dafür bräuchte man die Fotokopie des Reisepasses und eine von Mr Finch unterschriebene Erklärung, Vordruck zu haben auf der Website von networksolutions. Mike holt sich also das Formular von networksolutions, füllt es aus, lässt es von Mr Finch unterschreiben und bittet denselben um eine Fotokopie seines Reisepasses, welchselbiges schon ein Unterfangen für sich ist, denn Mr Finch sieht beim besten Willen nicht ein, wofür diese Menschen in den Vereinigten Staaten von Amerika eine Fotokopie seines Reisepasses brauchen. Am Ende eines arbeitsreichen Tages faxt Mike all diese Unterlagen zu networksolutions. Und wartet. Und wartet weiter. Nach einer Woche und einer furiosen Beschwerde Mr Finchs sieht Mike sich genötigt, den Versuch zu unternehmen, irgendjemanden bei networksolutions telefonisch zu erreichen. Dieses geht via Satellitentelefon vor sich, denn man befindet sich ja, wie gesagt, in Paraguay und die telefonischen Verbindungen in's Ausland sind einfach schlecht. Nach mehreren Versuchen hat Mike einen netten Menschen an der Strippe, der ihm die Auskunft gibt, dass der Antrag bearbeitet wird. Das beruhigt Mr Finch nur wenig, jedoch erklärt er sich bereit, zu warten. Was bleibt ihm sonst auch übrig?

Weitere zehn Tage später erhält Mike per Email die frohe Botschaft, dass der Antrag doch schon bearbeitet wurde! Der einzige Wermutstropfen ist die Tatsache, dass networksolutions sich strikt weigert, für einen William Henry Jonathan Finch Änderungen am Domainaccount von Bill Finch vorzunehmen, es sei denn, er sei in der Lage, ein Dokument (Pass, Ausweis, Telefonrechnung, was auch immer) vorzulegen, aus dem hervorgeht, dass Willam Henry Jonathan Finch unter derselben Adresse in Paraguay wohne wie Bill Finch. Punkt. Woraufhin sich Mike das erste Mal die Fotokopie des Passes genauer ansieht, aus der hervorgeht, dass sein Boss tatsächlich so heisst. Danach geht er zu Mr Finch und teilt dem die Kunde mit. Mr Finch läuft daraufhin im Gesicht leicht bläulich an und springt aus dem Stand drei Stockwerke hoch. Das sei doch wohl nicht zu fassen! Er HEISSE Bill, so habe alle Welt ihn seit seiner Geburt genannt, das sei sein Rufname. Die sollten sich, verdammt nochmal, nicht so blöde anstellen; die Tatsache, dass Bill eine Kurzform von William sei, sei weltweit bekannt und was in seinem Pass stehe, sei sowieso irrelevant für diese Tröpfe und wie diese impertinenten Armleuchter auf den Gedanken verfallen könnten, die Vorlage seiner privaten Dokumente von ihm zu verlangen! Das Telefon ist übrigens auf den Namen von Bills Frau angemeldet, in allen anderen Dokumenten ist sein voller Name laut Pass (dessen Fotokopie in Paraguay selbstverständlich für den Abschluß aller Verträge, auch des Mietvertrages gefordert wird - und für deren Abschluss Mr Finch selbstverständlich die entsprechende Fotokopie ohne Murren vorgelegt hat) angegeben. Außerdem könne er sich jetzt sowieso nicht mit solchem Unsinn beschäftigen, Mike solle das Problem gefälligst lösen und noch einmal bei networksolutions anrufen, schließlich habe er, Mr Finch, Mike angestellt, damit der Probleme löse und nicht damit er welche mache.

Mike, nach diesem Ausbruch Mr Finchs leicht indigniert, schwingt sich also ans Telefon und verbringt einen weiteren Vormittag mit dem netten Spielchen "Wie finde ich Zuständigkeiten in mir völlig unbekannten Firmenstrukturen heraus?". Erschwerend kommt hinzu, dass die Mitarbeiter von networksolutions sämtlich zwar durchaus Englisch sprechen, jedoch nicht unmäßig gut. Es hat mehr den Anschein, als habe er es mit Vorderasiaten zu tun, die sowieso nur darauf trainiert sind, Routinefragen zu hören und zu beantworten. Was Mike will, versteht offensichtlich niemand. Nach einigen erfrischenden, wenn auch unfruchtbaren Stunden gibt Mike auf und überlegt sich, was er sonst tun könne. Er sieht sich noch einmal den WHOIS-Record an und überlegt sich, dass er ja an diesen Masterson schreiben könne, mal sehen, ob der ihm nicht hilft. Prinzipiell gar keine schlechte Idee, der Mann muss sich ja schließlich mit Rechnungen konfrontiert sehen, die nicht seine sind. Mike setzt sich also hin und schreibt in wohlgesetzten Worten eine Mail an Mr Masterson, diesen darüber aufklärend, dass die Leute von networksolutions offensichtlich in die Fänge ihres eigenen Datennetzes geraten sind. Dies ist seine letzte Tat an diesem Tag, zufrieden mit sich und der Aussicht auf Lösung des Problems begibt er sich heimwärts.

Schon am nächsten Morgen sieht er seine Hoffnungen zerstört. Der Mailer-Daemon hat zugeschlagen und ihm seine Mail an Mr Masterson als unzustellbar zurückgeschickt, mit dem lapidaren Kommentar, dass dieser User leider nicht existiert. Also betätigt sich Mike rächend am Telefon, indem er schlicht die von networksolutions im WHOIS-Record angegebene Nummer wählt. Dort meldet sich eine Sekretärin, die ihm die Auskunft gibt, dass Jim leider nur beratend für ihre Firma tätig und vor übermorgen nicht erreichbar sei. Die Dame ist aber gottseidank zugänglich, und so erhält Mike von ihr eine Email-Adresse, an die er seine Sorgen und Nöte schriftlich loswerden kann. Eben dieses tut er. Danach, weil noch ein bisschen Zeit übrig ist, ruft er nochmal bei networksolutions an. Dort bekommt er ausnahmsweise mal einen Menschen an den Apparat, der richtiggehend Englisch spricht und setzt diesem das Problem auseinander. Jahaa, sagt der Mensch, das sei natürlich ein Problem. Und dass das alles so lange dauert, sei natürlich auch ein Problem. Ob Mike wohl "priority service" wünsche? Mike meint, nicht recht zu hören - PRIORITY SERVICE???? Was, bitte, das denn sei, will er wissen. Tja, meint der Mitarbeiter von networksolutions, das geht ganz einfach: Sie bezahlen nicht ganz dreissig Dollar und wir behandeln den Vorgang bevorzugt. Sonst dauert's halt seine Zeit. Das muss Mike erstmal verdauen. Er sagt, er würde nochmal anrufen, sollte dieser "Service" gewünscht werden. Diese nachgerade wunderbaren Nachrichten überbringt er Mr Finch, der zu allem Unglück noch ziemlich im Stress steht. Mr Finch ist einem Herzinfarkt nahe, fragt niemanden im besonderen, ob die Welt im allgemeinen und networksolutions im speziellen nur noch voller Räuber und Diebe sei, schreit und tobt und gibt seine Ansichten zum Thema Kundendienst, die von denen der Mitarbeiter der Firma networksolutions offensichtlich stark abweichen, lautstark zum Besten. Mike lässt dieses Gewitter an sich vorüberziehen und stellt am Ende die alles entscheidende Frage: "Mr Finch, WOLLEN sie diesen sogenannten priority service bezahlen?" Mr Finch will NICHT. Aber ganz bestimmt will er nicht noch zusätzlich Geld bezahlen, damit ihm der Service zuteil wird, den er sowieso erwartet. Und so schreibt Mike eine Mail des Inhalts, dass Mr Finch der Ansicht sei, dass seine Firma das, was networksolutions einen priority service nennt, als den normalen Kundendienst ansehe und nicht bereit sei, für diesen noch zusätzlich zu bezahlen.

Das ist der derzeitige Stand der Dinge, also erwarten wir mit Spannung die Antwort von Mr Masterson, auch die von networksolutions, und ich bin sicher, dass es innerhalb weniger Wochen mehr zu berichten gibt.