Wie angelt man sich keinen Millionär?

Ich habe meine Teenagerjahre damit verbracht, den Mann für's Leben zu finden. Mit vierzehn hatte ich meinen ersten festen Freund und war der festen Überzeugung: Der isses! Er war's nicht. Vielmehr: Er hätte es wohl sein können, wenn er nicht gemeint hätte, daß eine meiner besten Freundinnen besser zu ihm passe. Mich hat das zutiefst getroffen, aber nachdem ich mein kleines, zerbröseltes Herzchen wieder vom Boden aufgesammelt hatte, bin ich erneut auf die Pirsch gegangen. Frei nach dem Motto: Jeder Pott hat seinen Deckel, man muß nur eifrig genug suchen. Ich habe sehr eifrig gesucht. Und was für Typen ich mir dabei an Land gezogen habe, ist von meinem heutigen Standpunkt aus unglaublich. Ein Rocker, ein Tunichtgut, haufenweise Dumme, noch mehr Tagediebe und kaum mal einer, der's wert gewesen wäre. Liebe... Verliebt war ich jedesmal, nur hatte mir dummerweise kein Mensch erzählt, das Verliebtsein und Liebe zwei ausgesprochen unterschiedliche Paar Schuhe sind. Hätte ich das gewußt, mir wäre viel Herzeleid erspart geblieben. Von denen, die da durch mein Leben getrampelt sind, gibt es wenige, die erwähnenswert sind. Da war zunächst die Nr. 1, Piefke mit Spitznamen, dem ich die Verbindung zum Jugendrotkreuz zu verdanken habe. Dann Sebastian, der hübsch, aber ein bißchen dick und ungeheuerlich sexy war. Dann Pit, der mich von meinem "ich-will-den-Mann-retten"-Trieb kuriert hat und den Grundstein zu meiner heutigen Einstellung "Männer sind ganz einfach nicht zu retten" gelegt hat. Damals war ich sechzehn. Dann kam lange, lange, lange keiner mehr.

Als ich zwanzig war und meine erste eigene Wohnung hatte, lief mir Jürgen über den Weg. Genauer gesagt, kannte ich ihn eigentlich schon seit Jahren und war nie besonders an ihm interessiert gewesen. Er hatte eine feste Freundin gehabt, als ich ihn kennenlernte und war somit sowieso jenseits jeglicher Diskussion, aber ein sehr, sehr guter Freund. Mit Jürgen konnte man reden. Ich hatte ihn seit Jahren nicht mehr gesehen und freute mich rasend, ihn auf einem Seminar des - na, ratet mal! - Jugendrotkreuzes wiederzutreffen. Da hatte er keine Freundin. Gott, was haben wir in der Zeit gequatscht. Und dann geknutscht. Und was dann kam, sag' ich nicht. Letzten Endes ist er zu mir "gezogen". Das heißt, daß er, wenn er nicht gerade seinen Wehrdienst leistete (und er leistete fleißig!) in meinen bescheidenen vier Wänden weilte. Das war der Anfang vom Ende. Er kam jedes Wochenende mit einem riesigen Sack voll schmutziger Wäsche und wollte Essen auf den Tisch, saubere Wäsche, Videos gucken und - vielleicht - ein bißchen kuscheln, aber bestimmt nicht reden. Ich war die ganze Woche über so derartig allein, daß ich mich zutiefst nach seiner Gesellschaft sehnte. Er war die ganze Woche über so derartig beschäftigt und niemals allein, daß er einfach nicht mehr "gesellschaftsfähig" war. Das ging dann nicht ganz zwei Jahre lang nicht gut und endete ziemlich explosionsartig.

Enttäuscht, entnervt, entliebt und einsam wie ich war, bin ich dann wieder zu meinen Eltern gezogen, die mich hochpäppelten. Langsam aber sicher wurde ich wieder der fröhliche Mensch, der ich immer gewesen war und fing an, mich wieder für meine Umwelt zu interessieren. Als erstes belegte ich einen Tanzkurs, was ja bekanntlich eine fabelhafte Maßnahme ist, wenn man neue Freunde finden möchte. Dort hatte ich einen Tanzpartner, Thomas mit Namen, der ein ruhiger, freundlicher Mensch war, aber leider wohl etwas mehr von mir erwartete, als zu erwarten war. Thomas schleifte mich durch die Kneipen gehobener Klasse am Orte (sind eh' nicht viele) und machte mich mit Leuten bekannt. Eines Abends, in Bürgers Bierstube (Friede ihrer Asche, das Lokal existiert wohl heute noch, aber es ist wahrlich nicht mehr das, was es ehedem war) stob zusammen mit einem Haufen anderer Bekannter von Thomas ein junger Mann herein, der mir vom ersten Augenblick an gefiel. "Den schaust du dir mal genauer an!" dachte ich mir und tat's auch. Es stellte sich heraus, daß dieser schöne, freundliche, liebenswerte junge Mensch seinen Lebensunterhalt bei der Bundeswehr verdiente (oh, nein, nicht schon wieder!) und plante, dieses auch die nächsten zwölf Jahre lang zu tun. Was mich dazu veranlaßte, ihn auf der Stelle und ohne Wenn und Aber abzuschreiben. Keine Soldaten mehr, Jürgen läßt grüßen!

Nun traf es sich aber dummerweise, daß eines schönen Abends aufgrund eines Mißverständnisses mein lieber Thomas nicht zur Tanzstunde auftauchte. Er hätte mich eigentlich zuhause abholen sollen, aber ich war in der Stadt gewesen und habe mich danach noch mit meinen Eltern beim Italiener getroffen, so daß ich direkt von dort aus in die Tanzschule ging. So, was nun? Moni, eine meiner "Schulkameradinnen", die seit Ewigkeiten in eben dieser Tanzschule Kurse belegte, dort auch tanzlehrend aushalf und jeden, der dort ein- und ausging kannte, meinte: "Moment mal, das haben wir gleich, komm mal mit." Sie nahm mich bei der Hand, rannte mit mir auf den Flur und flugs stand ich vor eben jenem abgeschriebenen, gutaussehenden, sympathischen Soldaten. "Sag' mal, Detlef, kannst du heute abend mit Astrid tanzen, Thomas ist nicht gekommen und alleine kann sie ja nun nicht... " Der mit "Detlef" angesprochene gutaussehende etc. etc. sah mich kurz an, erinnerte sich meiner offensichtlich überhaupt nicht (gottseidank!) und willigte nicht eben freudig, aber doch wohlwollend ein.

So tanzten wir an diesem Abend miteinander. Und kamen ins Gespräch. Ich hatte ja gewußt, daß der Kerl sympathisch war, aber daß er so rasend, wahnsinnig, übermäßig nett und lieb war, hatte ich nicht gedacht. Bis zur Pause waren wir in Gespräche über Gott und die Welt vertieft, schwebten über's Parkett, als ob wir unser Leben lang nichts anderes getan hätten und fanden, wohin wir auch sahen, nur Gemeinsamkeiten. Als Heiko, der Tanzlehrer, zur Pause blies, war ich bereits verloren, das wußte ich nur noch nicht. Später sagte Moni mir, sie hätte während der Pause mit Heiko Wetten abgeschlossen, wie lange es wohl dauern würde, bis der erste Kuß fiele. Es dauerte genau zwei Tage (womit beide verloren gehabt hätten, sie haben uns nämlich für wesentlich schneller gehalten). In diesen zwei Tagen war Detlef konstant mit mir unterwegs und weckte meine Zuneigung zur lauenburgischen Seenplatte. Er fuhr mit mir durch die Gegend, zeigte mir alles, was sehenswert war, ging mit mir spazieren und unterhielt sich mit mir. Ich blühte auf unter diesem warmen Regen reiner Zuneigung. Sicher hakte er mich unter, aber mehr Annäherungsversuche gab es nicht. Am Samstagabend in der Tanzschul-Disco hat er's dann aber doch nicht mehr ausgehalten, und mich geküßt. Das heißt, er hat's versucht, allerdings habe ich ihm die Wange hingehalten, so daß der Kuß dort landete. Am Sonntag fuhr er dann los, das Vaterland verteidigen (just der Grund, der mich vom Küssen abhielt). Tränenden Auges. Ehrlich. Ich sagte ihm, daß ich mir unbedingt erst klar werden müßte, ob ich einerseits überhaupt einen Freund haben wolle und andererseits einen Soldaten, ausgerechnet. Naja, er fuhr ab und sagte, er wäre Donnerstag wieder da. In diesen fast vier Tagen bin ich mir darüber klargworden, daß ich a) ganz bestimmt wieder einen Freund haben wollte und b) ausgerechnet diesen Menschen, Soldat oder nicht. Ich bin fast gestorben vor Angst, daß er unter Umständen wenn er wiederkommt sagen könnte, daß er sich das alles anders vorgestellt hätte, daß er keine Freundin haben will, die sich nicht sofort sicher sei, daß er derjenige sei, welcher und so weiter und so fort. Der Donnerstag kam und mit ihm der gefürchtete Anruf. Ob ich ihn sehen wollte, fragte er. KLAR, MANN, komm her!!!! Keine zehn Minuten später war er da und es war, als hätten diese Tage ohne ihn nicht stattgefunden. Meine Ängste waren so unbegründet wie seine, die er mir hinterher gebeichtet hat, und wir gingen wieder auf Lauenburg-Safari. Und es war sooooo schön! Und jetzt traute ich mich auch, ihn mich küssen zu lassen.

Wir verbrachten wunderschöne Wochen zusammen, einen Urlaub in Norden, in seines Onkels Ferienhäuschen, noch mehr schöne Wochen. Unser Verhältnis trübte sich nicht, wir konnten reden, wir konnten streiten, wir waren einfach nur ehrlich miteinander. 1990 verlobten wir uns, mehr oder weniger unterm Weihnachtsbaum, nämlich am 25. Dezember, denn ich habe Heiligabend Geburtstag und man soll nicht zu viele Feste auf ein und denselben Tag legen, das gibt nur Bauchweh. Im Juli 1991 beschlossen meine Eltern, ab November für längere Zeit ins Ausland zu gehen. Daraufhin nahm ich mir meinen Detlef zur Brust und sagte: "Schatz, meine Eltern gehen nach Paraguay und kommen so bald nicht wieder. Laß uns heiraten, solange noch Zeit ist, ich will sie dabeihaben und wenn wir jetzt warten, wird das eine sehr, sehr lange Verlobungszeit." Gesagt, getan. Wir haben dann im August standesamtlich geheiratet, weil Detlefs Großeltern, die schon recht alt sind und keinen Trubel mehr haben können, da waren, und im Oktober kirchlich, damit wir mit der lieben Familie (Detlef hat haufenweise Onkel und Tanten) feste feiern können. Es war ein rauschendes Fest und wir sind seitdem glücklich verheiratet, durch viele Stürme gesegelt, haben manche Klippe umschifft und zwei wirklich liebe, süße Kinder bekommen. Aber das ist eine andere Geschichte und die erzähle ich euch ein anderes Mal.

So, und jetzt wißt ihr alle, wie man sich keinen Millionär angelt!!! *fg*